Konzertveranstalter haben sicher nicht den besten Ruf. Ihr Geschäft gilt seit jeher als halbseiden und intransparent. Nun stehen sie auch noch im Verdacht, mit Zweithändlern zu kooperieren, die Tickets im Internet zu horrenden Preisen weiterverkaufen. Ein Gespräch über Eintrittskarten und die Waffen, mit denen MCT den Schwarzmarkt bekämpft.
Herr Sabottka, haben Sie schon einmal Konzertkarten auf dem Schwarzmarkt gekauft?
Nein.
Wirklich nicht?
Nee. Dafür bin ich zu gut organisiert. Ich musste das nie. Ich habe mir die Karten immer rechtzeitig vorher besorgt. Eine Ausnahme gibt es vielleicht: Als Jugendlicher habe ich eine Zeitlang in einer Druckerei gearbeitet, die druckte eines Tages auch die Karten für AC/DC und Alice Cooper. Tja, und da habe ich mir eine abgezweigt.
Das kann man vielleicht noch unter Jugendsünde verbuchen.
Genau.
Der Schwarzmarkt ist doch an sich nichts Neues. Leute, die vor einer Halle standen und die Karten, die sie zu viel hatten, loswerden wollten, gab es doch schon immer...
Die sind auch nicht das Problem. Ich habe volles Verständnis dafür, wenn jemand abends nicht kann und seine Karte einem Freund gibt.
Aber?
Womit ich ein Problem habe, sind gewinnorientierte Konzerne wie Viagogo, Ventic und Seatwave und Mittelsmänner, die sich mit großen Kartenmengen eindecken und diese dann für einen überhöhten Preis verkaufen. Die Ticket-Zecken, wie ich sie nenne, kaufen manchmal 30 bis 40 Prozent der Karten eines Konzertes und schlagen mindestens das Dreifache drauf. Ohne irgendein Risiko zu haben! Ich mache mir doch nicht mit dem Manager oder Agenten einer Band über Monate und Jahre Gedanken darüber, wie wir den Ticketpreis graduell den Herausforderungen des Künstlers anpassen können! Wir beschließen zum Beispiel, dass die Karte 75 Euro kosten soll, und dann sehe ich später, dass sie im Internet für 400 Euro angeboten wird. Das kann’s einfach nicht sein! All das, wofür ich, der Künstler und der Fan stehen, wird von den Zweithändlern ignoriert. Liebe und Devotion, das geht denen am Arsch vorbei.
Warum verlangen Sie dann nicht einfach selber 400 Euro für eine Karte?
Weil ich das nicht als richtig empfinde. Mittlerweile verkaufen alle Künstler, die eine gewisse Größenordnung haben, teure VIP-Pakete für eine Stadion- oder Hallen-Tour. Für mich ist ein Konzert wie ein Fußballspiel von früher, wo alle im Regen stehen, wenn es regnet, es eine Currywurst gibt, aber keiner in irgendeiner Loge sitzt und einen separaten Parkplatz hat. Das finde ich nicht gut. Das nimmt etwas vom Rock ’n’ Roll. Ich mag es, direkt unten zu stehen und zu sehen, wie sich ein Musiker abkämpft.
Aber Sie verkaufen doch auch VIP-Pakete.
Ich finde es nicht gut. Aber ich kann mich den Wünschen der Künstler nicht entgegenstellen. Wenn es schon VIP-Pakete gibt, dann sollen wenigstens nicht Dritte an den Karten verdienen.
Wie gehen Sie gegen diesen Zweitmarkt vor?
2011 haben wir erstmals eine Take-That-Stadion-Tour mit personalisierten Karten veranstaltet. Wir haben 150.000 Karten bei drei Konzerten verkauft. Das war eine Leistung, die hatte so noch keiner vollbracht. Das Ganze war auch nur möglich, weil das Managementteam um Take That gesehen hat, wie viel Geld durch Secondary Ticketing gemacht wird. Sie haben gesagt, ich unterstütze dich. Man braucht ja auch auf der anderen Seite jemanden, der versteht, warum man das machen will. Es gab auch Künstler, Agenten und Manager, die gesagt haben: Das ist aber gefährlich. Die befürchteten, dass der Verkaufsfluss durch personalisierte Karten stocken wird. Nicht jeder Kunde will vielleicht im Voraus bestimmen müssen, mit wem er ein halbes Jahr später ins Konzert gehen wird. ?
War diese Sorge berechtigt?
Nein. Wir veranstalten demnächst zum Beispiel ein Konzert von Nick Cave im Friedrichstadt-Palast, einem Revuetheater in Berlin, das selten bespielt wird. Wir haben das sehr lange geplant. Die Karten waren personalisiert und kosteten bis zu 88 Euro. Das ist wirklich viel. Trotzdem waren sie nach nur acht Minuten ausverkauft.
Sind denn davon noch Karten auf dem Schwarzmarkt gelandet?
Man muss es aushalten, dass Karten, obwohl wir sie personalisiert haben, nicht autorisiert weiterverkauft werden. Es tauchen auch bei personalisierten Karten noch immer einige im Ticketzweitmarkt auf. Die sind dann oft mit dem Namen Max Mustermann gekauft worden. Die Käufer werden kurz vor dem Konzert versuchen, ihre teuren Karten umzupersonalisieren. Aber dafür müssen sie den Ausweis von Max Mustermann hochladen, und das wird schwer. Daran denken sie leider nicht.
Von welcher Größenordnung sprechen wir?
Etwa zehn Prozent dessen, was normalerweise auf dem Schwarzmarkt landen würde. Bei Nick Cave waren es 40 oder 50 Karten. Also nicht viel.
Warum sind dann nicht alle Ihre Konzertkarten personalisiert?
Das lohnt sich nicht in jedem Fall, da der organisatorische Aufwand für uns höher ist. Aber wenn es heißer Scheiß ist, sind die Karten immer personalisiert. Nur bei den großen Namen wollen die Ticket-Zecken unbedingt Karten weiterverkaufen.
Was ist denn eigentlich ein fairer Preis?
Ein Preis, den der Kunde für einen Künstler zu zahlen bereit ist, ohne mit der Wimper zu zucken, weil er das Gefühl hat, dass der Künstler das Geld auch wert ist. Ich weiß, das hört sich jetzt an wie Gequatsche. Es geht auch nicht darum, billig zu sein oder etwas für umsonst wegzugeben. Es geht darum, so angemessen zu preisen, dass der Kunde und die Band damit einverstanden sind. Da gibt es bei den Veranstaltern große Unterschiede. Viele meiner Konkurrenten überpreisen die Konzerte. Wenn das Konzerterlebnis dann aber nicht mit der Erwartung des Besuchers stimmig ist, dann ist der subjektive Eindruck, den der Fan mit der Band verbindet, bei einem hohen Preis viel angespannter. Wenn das Ticket 55 Euro kostet, verzeiht man der deutschen Nationalmannschaft eine Niederlage gegen Polen sicher eher, als wenn das Ticket 300 kostet. Da regt man sich richtig auf und macht womöglich noch was kaputt.
Warum wehren sich andere Veranstalter nicht ebenso energisch wie Sie gegen das Secondary Ticketing? Da müssten doch eigentlich alle an einem Strang ziehen!
Ich kann es nicht beweisen, aber ich vermute, dass manche Veranstalter Kontingente an Zweithändler abgeben und mit ihnen gemeinsame Geschäfte machen. Im Moment läuft zum Beispiel ein Verfahren gegen Klaus-Peter Schulenberg und einen ehemaligen DFB-Verantwortlichen. Die sollen, so der Vorwurf, gemeinsam ein Kontingent von Tickets der WM 2006 abgezweigt und auf dem Schwarzmarkt verkauft haben.
Sie haben früh begonnen, sich selber um den Verkauf Ihrer Karten zu kümmern. Warum?
Anfang der 1990er-Jahre wurden die Vorverkaufsstellen mit Computersystemen von CTS ausgestattet. Dann fing CTS zusätzlich an, Promoter aufzukaufen, Marek Lieberberg, Peter Rieger, Folkert Koopmans, Dieter Semmelmann, und die Firma wurde zu der Krake, die sie heute ist. Fünf große Veranstalter aus unterschiedlichen Musikbereichen waren plötzlich an dieses System gebunden. Damit hatte es auf einmal ganz viel Content, wenn man das mal so neudeutsch sagen darf. Hinzu kommt: In seiner Struktur war es sehr arrogant. Mit jedem Cent, den ich ihm gab, konnte CTS die Kriegskasse meiner Konkurrenten füllen, mit der sie mir meine Acts abnehmen wollten. Da stimmte doch was nicht. Also, dachte ich, versuchen wir doch mal ein eigenes Ticketing-System zu basteln.
Sie gründeten daraufhin die Firma tickets.de, von der Sie sich mittlerweile wieder getrennt haben.
Ja. Die Idee war, den Fans der Bands, die ich veranstaltete, auf meiner Webseite nur zehn Prozent Vorverkaufsgebühren abzunehmen statt der hohen Gebühren von CTS, die bis zu 18 Prozent betragen können. Bei uns konnte man sich die Karten schon früh selber ausdrucken, weil sie virtuell verkauft wurden. Am Einlass wurden sie mit Scannern registriert. Wenn einer mit seiner Karte reinging, konnte nicht der nächste mit derselben Karte kommen. Das hat auch gut funktioniert.
Mittlerweile binden sich manche Veranstaltungsorte fest an ein Vorverkaufssystem. Wird dadurch nicht der Wettbewerb verhindert?
Absolut. Ein Ticketsystem geht zu einem Veranstaltungsort und erkauft sich ein exklusives Hausverkaufsrecht, und der Promoter hat nicht mehr die freie Wahl des Vertriebs. Ich habe denen gesagt: Solange ihr mich zwingt, ein Ticketsystem zu benutzen, spiele ich nicht bei euch.
Hat diese störrische Haltung etwas geändert?
Ich habe einige Jahre durchgehalten, dann haben sie mir gesagt: Okay, du kannst es zu deinen Bedingungen machen.
Rammstein haben mittlerweile angefangen, ihre Karten selbst zu verkaufen. Wie stehen Sie dazu?
Das war früher undenkbar. Rammstein haben es verstanden. Solange die Karten personalisiert sind, begrüße ich das. Es ist wichtig, dass der Kunde geschützt wird, das ist das höchste Gut. Wie das passiert, ist mir egal.